Fukushima Mahnwache 2022

Redebeitrag auf der Mahnwache

11.03.22 –

Die Ereignisse in Bezug auf Atomkraft überschlagen sich. Als wir zu dieser Mahnwache einluden, war der Inhalt klar. Es sollte um Fukushima gehen, damals und heute. Das aktuelle atompolitische Thema war die EU Taxonomie, das "Öko-Label" für Geldanlagen. Im Prinzip keine schlechte Idee. Wenn aber auch Atomkraft und Erdgas als "nachhaltig" betitelt werden, lenkt das Geldströme in marode AKW. Dieses Geld fehlt für die wirkliche Energiewende, für den Ausbau von Solar-, Wind-Energie, Speichern etc. Darum treten wir ein gegen Greenwashing und für waschecht grüne Energien.

Dies, etwas ausführlicher, wäre der Inhalt gewesen, und dies ist selbstverständlich nach wie vor relevant. Allerdings verdrängt seither eine Nachricht die vorherige: Mit Entsetzen sehen wir, wie in der Ukraine Kämpfe rund um Tschernobyl geführt werden, wir hören davon, dass mit Saparoshija das größte Atomkraftwerk Europas beschossen und in Brand gesetzt wird. Die Beschäftigten dort arbeiten ohne Schichtwechsel, es gibt keine verlässlichen Messwerte, die Stromversorgung des AKW ist in Gefahr. Und so verdrängt die Ukraine Fukushima aus der Berichterstattung.

Wir dürfen ein Vergessen nicht zulassen! Um das Ausmaß des Unglücks verstehbar zu machen, habe ich im Internet Bilder aus Fukushima von vor dem 11. März 2011 gesucht. Ich fand dort Ausflugsdampfer in Form eines Schwans. In Felsen gehauene Skulpturen, die von jahrtausendealter Besiedlung zeugen. Reisfelder, ein rosa Baumblütenmeer, heiße Quellen, Hochgebirge und Vulkankrater. Nationalparks, Fischerboote, Pfirsiche, ein Schloss der Samurai. Ein Paradies für Ornithologen, Surfer und Schneeschuhwanderer.
Ich wünschte, das wäre alles, was über Präfektur Fukushima zu sagen ist.

Erst seit dem 11.03.2011 kennen wir hier in Deutschland Fukushima. Das Leben dort änderte sich an diesem Tag schlagartig. Durch ein Seebeben ereignete sich ein Tsunami. Sicherheitssysteme fielen aus und es entstanden irreparable Schäden an mehreren Reaktorblöcken. Es kam zur Kernschmelze und einer erheblichen Freisetzung von radioaktiver Strahlung. Der Tsnumami forderte 15.000 Todesopfer. Aufgrund des Reaktorunfalls wurden 100 bis 150 Tausend Einwohner evakuiert und eine Sperrzone von 20 km um die Kraftwerke eingerichtet.

Noch heute können 28.000 Menschen nicht nach Hause zurückkehren. Der olympische Fackellauf lief durch Geisterstädte in der Präfektur. Die Evakuierung in vielen Bereichen wurde zwar aufgehoben, nachdem die Orte einmal dekontaminiert waren, aber jeder Windstoß weht nun radioaktiven Staub von den Hügeln zurück in die Gärten. Viele Tausende wagen es nicht, zurückzukehren - und seit der offiziellen Aufhebung der Evakuierung gibt es nun keine Entschädigungsleistungen mehr.

Auch die Frage, wie die Ruinen in einen stabilen Zustand bringen, ist keinesfalls gelöst. Noch immer müssen sie gekühlt werden mit 140 Kubikmeter Wasser jeden Tag. Inzwischen wiegt das gelagerte verstrahlte Wasser so viel wie siebenfach die Elbphilharmonie!

    Wir hier in Ahrensburg hatten das Glück, dass Krümmel und Brokdorf abgeschaltet wurden. Ohne verheerende Sturmflut, ohne dass menschliches Versagen oder Fahrlässigkeit einen GAU ausgelöst hätte und ohne beschossen worden zu sein. Andere hatten und haben dieses Glück nicht.

    Liebe Freunde, lasst uns dafür einstehen, immer und immer wieder: Atomenergie ist nicht nachhaltig. Atomenergie ist nicht verantwortbar.

    Ingeborg Findert, 11. März 2022

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