32. Ordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz Freiburg, 19.-21. November 2010

„Auftrag: Grün“ – das war das Motto des 32. Grünen Parteitags  in Freiburg (19. – 21. November). Für den Kreisverband  Stormarn waren als Delegierte Ruth Kastner (OV Bargteheide) und Ragnar Rohweder (OV Ahrensburg) in die Öko-Hauptstadt gefahren.  Jetzt sind sie zurück mit starken Eindrücken und drei Kilo Papier im Gepäck  - Anträge zu erneuerbaren Energien, gerechter Gesundheitspolitik, starken Kommunen.

 

Rund 800 Delegierte waren in die Freiburger Messehalle gekommen

 

Alles eitel Sonnenschein

Es ging sehr harmonisch zu in der Freiburger Messehalle, unter den  800 Delegierte war ein Gefühl  großer Geschlossenheit  spürbar.  Von Übermut angesichts der guten Umfragewert  keine Spur, aber unglaublich viel Power, Entschlossenheit  und erfreulich viele junge Leute.  Ja, auch kleine Kinder saßen im Plenum, Hunde gab‘s und eine junge blonde Stricklieselgleich hinter uns im Hessen-Block.

Eintracht bei der Wahl der Führungsspitze. Es gibt keine Gegenkandidaten zu Claudia Roth und Cem Özdemir, zu Steffi  Lemke (Geschäftsführerin) und Dietmar  Strehl (Schatzmeister).

Es gab auch kaum Kampfabstimmungen. Die  Antragskommission hat ganze Arbeit geleistet und viele Änderungsanträge mit den Antragstellern schon im Vorfeld einvernehmlich geregelt.  Viel wurde übernommen, modifiziert, vertagt.  Unser Bundstagsabgeordneter Konstantin von Notz als Mitglied der Antragskommission hatte einigen Anteil daran.

 

Der neue alte Bundesvorstand (von links):  Astrid Rothe-Beinlich (Frauensprecherin), Steffi Lemke (Bundesgeschäftsführerin), Cem Özdemir (Bundesvorsitzender), Malte Spitz ((Mitglied im Bundesvorstand), Dietmar Strehl (Bundesschatzmeister), Claudia Roth (Bundesvorsitzende).

 

Die komplette 16-köpfige Führungs-Riege aus Bundesvorstand und Parteirat

 

Unbequeme Positionen

Die Grünen sind sich dennoch treu geblieben. Haben  etliche unbequeme und umstrittene  Positionen bezogen:

  • · Am Spektakulärsten ist sicher das Nein zur Münchner Olympiabewerbung 2018.
    Das  war knapp und ein Affront gegen Claudia Roth;
  • · Fast untergegangen ist darüber das Nein zur Fehmarnbelt-Querung
    (der Antrag  vom KV Ostholstein eingebracht  wurde mit großer Mehrheit angenommen);
  • · es gab – keine Überraschung - ein klares Nein zum Endlager Gorleben;
  • · wie nicht anders zu erwarten ein einstimmiges Nein zu Stuttgart 21. 
    Der Schwabenstreich – täglich wird Punkt 19 Uhr  unter Getöse ein „oben bleiben“
    skandiert  – hat auch den Parteitag aufgemischt.
  • · Ein Nein auch zum Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich. 
    Bildung soll nicht länger nur Ländersache sein, der  Bund soll die Rahmenbedingungen  vorgeben 
    (Antrag von Ines Strehlau aus  Schleswig-Holstein mit großer Mehrheit angenommen)
  • · Unbequem und knapp war dann die Zustimmung zur Erhöhung der  Beitragsbemessungsgrenze
    auf 5500 Euro für die  Bürgerversicherung – die Alternative lag bei 4100 Euro.
  • · Auch Freiberufler sollen künftig Gewerbesteuer zahlen und die Grundsteuer soll stärker am Verkehrswert ausgerichtet werden, statt am niedrigeren Einheitswert.  (Antrag starke Kommunen)

 

Stormarner und Schleswig-Holsteiner auf dem Parteitag (von links):  Ragnar Rohweder und Ruth Kastner;  zusammen mit dem Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz;  Ingrid Nestle während der Energiedebatte und Marcus Stiegler,  Landesschatzmeister im Norden

 

Unterstützung von den Besserverdienern

Nimmt man noch die Forderung nach einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes, einer Vermögenssteuer, einer Kerosinsteuer auf Flugbenzin und  die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs hinzu, dann wird klar, dass die Besserverdienenden – sollten die Beschlüsse einmal politisch durchgesetzt werden -  künftig mehr Geld in die öffentlichen Kassen einzahlen. Es wäre die gewollte Umverteilung von oben nach unten.

Eine Illusion? Lukas Beckmann sagte es in seiner Abschiedsrede so: „ Es gibt Tausende von Menschen, die froh sind, Einkommen und Alltag mit mehr Sinn zu füllen .“  Vielleicht kommen deswegen vor allem die Besserverdienenden gerade so zahlreich zu den Grünen.  Aktueller Stand Mitte November: 51.626 Mitglieder.

 

Ragnar Rohweder in prominenter Begleitung von Renate Künast; Ruth Kastner beim Interview mit der Deutschen Welle TV;  auch kleine Kinder gehören zu einem Grünen Parteitag;  Plakat gegen die Fehmarnbelt-Querung  und ein Blick auf den "Stormarner Platz".

 

„Rocken wir die Republik 2011"

Wir haben kämpferische Reden gehört von Künast, Trittin, Özdemir und Roth. Harte Kante gegen Schwarz-Gelb,  gegen die „sozial kalte neoliberale Politik a la Merkel", CDU und FDP hätten „offen und brutal die Gesellschaft entsolidarisiert". Dagegen verstehen sich die  Grünen als Gemeinwohlpartei, die an morgen und übermorgen denkt.

Das war schon die Einstimmung auf das Wahljahr 2011 mit sechs Landtagswahlen.  Hinzu  kommt noch die Aufforderung von Bärbel Höhn, den CDU-Umweltminister Norbert Röttgen als „Möchtegern Grünsprech zu entlarven".

„Rocken wir die Republik 2011", rief Cem Özdemir  ins Plenum.  Von einer historischen Chance  sprach Claudia Roth, dass die Grünen in Baden-Württemberg und Berlin die Regierung übernehmen könnten.  „Wir machen unser Ding. Wir sind nicht bescheiden. Wir spielen auf Sieg." Bei solchen Sätzen geraten die Delegierten regelmäßig aus dem Häuschen. Standing Ovations.

 

Was  Stuttgart 21 uns lehrt

Wilfried Kretschmann aus Stuttgart  war einer der Gefeierten.  Stuttgart 21 – wie im Brennglas würden wichtige Probleme unserer Gesellschaft in dem Konflikt sichtbar, meint er.  Das hohe Niveau des Streits bei der Schlichtung heute: „Wenn 15 Jahre vorher so diskutiert worden wäre!"  Stattdessen sei Vieles ungeprüft von der  Mehrheit im Parlament durchgewunken worden.  Jetzt verhandele die Zivilgesellschaft mit den demokratisch Legitimierten.  Das sei neu und vielleicht die Blaupause für den künftigen Umgang bei Großprojekten. Das Verhältnis von Staat – Markt – Bürgergesellschaft müsse neu geordnet werden.  Für Kretschmann ist die Wahl am 27. März eine Richtungswahl. Er setzt in seiner Reformagenda auf Nachhaltigkeit.  „30 Jahre lang haben wir ein dickes Brett gebohrt. Ich hoffe, jetzt sind wir durch!"

 

Das Grüne Selbstverständnis und der Kapitalismus

Immer wieder hören wir diese Botschaften:

· Nicht abheben bei den Umfragewerten, auf dem Teppich bleiben. · Die Sacharbeit vorantreiben, Glaubwürdigkeit bewahren. · Wir sind eine „Konzeptpartei". Offenbar ist das die neue Sprachregelung,
damit nicht länger von der Grünen Volkspartei  geredet wird. · Neue Formen der Demokratie im 21. Jahrhundert müssen gefunden werden.
Die Bürger wollen mehr Beteiligung, mehr Transparenz.

Ein nachdenklicher Lukas Beckmann bemerkt:  „Wut und Zorn in der Gesellschaft sind sehr groß."  Da sei auch die Verantwortung groß, dass sich dies in demokratischen Strukturen äußern und gestalten kann.  Diese Verantwortung sollten die Grünen annehmen und sich öffnen.  Und er benennt einen offenen, wunden Punkt, mit dem sich die Partei ehrlich auseinandersetzen müsse: „Die Verbindung von Ökologie und sozialer, nachhaltiger Wirtschaft geht nicht zusammen mit Kapitalismus."

 

Antrag: Energie der Zukunft braucht Klimaschutz und Atomausstieg

Ein Parteitag ist neben den Grundsatzreden vor allem ein Antrag-Abstimmungs-Marathon bis kurz vor Mitternacht.

Noch am Freitagabend war der Antrag E-01 „Energie der Zukunft" dran.   100% Ökostrom bis 2030, konsequente Umsetzung der 3 E (Erneuerbare, Effizienz, Einsparen);  zügiger Netzausbau.  Ausstieg aus der Atomkraft, Schluss mit dem Endlager Gorleben, Endlagersuchgesetz beschließen. „Atomkraft gegen Erneuerbare, dieser Konflikt wird knallhart" , prophezeit  der Niedersachse Wenzel und Reinhard  Loske, Umweltsenator in Bremen, benennt einen weiteren Konflikt:  „Die Netzfrage wird zum Lackmustest für die Glaubwürdigkeit der Grünen".

Um 22.45 wird das Grüne Energiekonzept mit ganz großer Mehrheit angenommen.
Hier das Ergebnis

 

Antrag: Zukunft der Kommunen

Am Sonnabendmorgen  geht es zunächst um die Zukunft der Kommunen (K-01).  Das Leitbild ist eine starke, soziale Kommune. Die Gesellschaft werde in den Kommunen zusammengehalten, sagt Freiburgs OB  Salomon.  „Aber ohne Geld ist nix."  So würden viele Aufgaben vom Bund  an die Kommunen delegiert, ohne ausreichende Finanzierung:  etwa der Rechtsanspruch auf Kita-Betreuung für unter Dreijährige, Integration, Klimaschutz.  „Oben wird bestellt und unten kann nicht bezahlt werden".   Deshalb fordert der Antrag  die Anwendung des Konnexitätsprinzips (wer bestellt, der bezahlt) , die Gewerbesteuer zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer auszubauen (auch für Freiberufler), die Grundsteuer zu reformieren.

Die FDP wird als größter Feind der Kommunen ausgemacht. Ihre  Steuersenkungspolitik lasse die Finanzen der Kommunen zusammenbrechen.  Und Avio Ebrahimpour aus Berlin beschreibt die prekäre Lage mit einem Bild: „Im Winter  ist das Wasser im städtischen Hallenbad so kalt wie die Politik von Angela Merkel."

Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen.
Hier das Ergebnis.

 

Antrag: Grüne Gesundheitspolitik - Zugang, Teilhabe, Prävention

Beim dritten großen Leitantrag ging es am Sonntagmorgen um eine gerechte Gesundheitspolitik (G-01).  Es ist der erste Aufschlag zu einem grünen Konzept, in dem die Bürgerversicherung  zur Finanzierung  aufgelegt wird.  Grundsätzlich soll eine gerechte und gleiche Teilhabe an der medizinischen Versorgung für alle garantiert sein. Der Patient soll im Mittelpunkt stehen, auch der am unteren Rand der Gesellschaft.  Prävention ist ein wichtiger Leitgedanke.

Wolfgang Deppe aus  Dresden übt grundsätzliche Kritik an dem Papier: „Darin stehen viele neue Forderungen. Es ist ein buntes Wünsch-Dir-was. Aber wie soll das geschehen, wer soll das leisten?"  Das Gesundheitswesen sei ein Haifischbecken,  wenn die Grünen da schwimmen wollten, müssten sie auf massive Konflikte (Rationierung, Privatisierung) besser eingestellt sein.

Gastredner Prof. Rolf Rosenbrock, Leiter der Forschungsgruppe Public Health in Berlin, zeigte am Thema Kindergesundheit , wie von Geburt an die soziale Ungleichheit das Risiko erhöht,  an einem chronischen Leiden zu erkranken und früher zu sterben.  Menschen im unteren Fünftel leben durchschnittlich acht Jahre kürzer.  „Die benachteiligten Kinder von heute sind die Patienten von morgen."   Man wisse längst, was getan werden müsse,  Abbau der Kinderarmut etwa und eine Vernetzung der vielen bereits vorhandenen Einrichtungen und Projekte, vom Geld für ein warmes Mittagessen ganz zu schweigen.

Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen, wobei klar war, dass vieles noch der  Veränderung und Präzisierung unterliegt.

Um es mit Renate Künast zu sagen:  „Wir ziehen weiter. Wir haben Mut, uns selbst in Frage zu stellen. Auf geht's!"

 Hier ist der Link zur kompletten Übersicht aller gefassten Beschlüsse: Mehr

  

Trotz einer Marathonsitzung am Samstag (Beginn 8.00 Uhr bis kurz vor Mitternacht)......
.......Gute Stimmung!



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